Die mechanische Signalweitergabe
Wie werden Trainingsreize interpretiert?
Die selbstständige Anpassungsfähigkeit der Skelettmuskulatur durch Umwelteinflüsse ist sowohl auf der Seite der Systemebene als auch auf der Seite der Gewebeebene weitestgehend charakterisiert. Doch die Mechanismen zur Umwandlung eines neuronalen Reizes in eine chemische Reaktion (Transduktion), mit Einfluss auf das Muskelwachstum und den Stoffwechsel, sind größtenteils noch ungeklärt. Mehrere Befunde legen jedoch nahe, dass die selbstständige Transduktion in der Muskulatur über Signalwege verläuft, die eng verbunden sind mit dem insulin-ähnlichen Wachstumsfaktor IGF-I (Insulin-like growth factor – insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor). Die Beteiligung von IGF-I -abhängigen Signalen an der selbstständigen Signaltransduktion in der Muskulatur wurde ursprünglich durch folgende Beobachtungen begründet:
- In der Muskulatur wird eine IGF-I Erregung durch mechanische Stimulation ausgelöst.
- IGF-I ist ein starker Erreger für die Förderung des Muskelwachstums und bei der Beeinflussung des Phänotyps und
- IGF-I kann in der Muskulatur als autokrines Hormon fungieren.
Mehrere gesammelte Anhaltspunkte zeigen, dass mindestens zwei nachgeordnete Signalwege im Zusammenspiel mit dem Wachstumsfaktor IGF-I das Muskelwachstum und die muskuläre Adaption beeinflussen können. Die Signalgabe via Calcineurin durch den Faktor der T-Zellen-Signalwege zeigt einen starken Einfluss bezüglich der Förderung des langsamen Muskelfasertyp I (Phänotyp) und bei der Zunahme der Muskelmasse. Eine neuronale Muskelaktivierung kann diese Signalwege erregen, wobei zu beachten ist, dass diese neuronale Aktivierung der Signalwege eine Erhöhung der unabhängigen unwillkürlichen Aktivierung nach sich ziehen kann.
Die Signalisierung über das mTOR Protein (mammalian Target of Rapamycin) kann ebenfalls zu einer Zunahme des Muskelwachstums führen und aktuelle Befunde zeigen, dass die Aktivierung dieser Signalwege zu einer Reaktion auf der direkten Zellebene mittels unwillkürlicher Stimulation führen kann - und das wiederum unabhängig von Signalen anderer Zellen. Somit sind die automatischen Aktivierungen durch mTOR und andere untergeordnete Signale anscheinend unabhängig von den autokrinen Faktoren. Dies deutet darauf hin, dass die Aktivierung der mechanischen Signalwege ohne den Einfluss der IGF-I vermittelten Freigabe ablaufen. Es gilt noch endgültig zu klären, welche Faktoren nun entscheidend sind für die Adaptionen der Skelettmuskulatur. Sind es autokrine Faktoren, ist es der Einfluss des Wachstumsfaktors IGF-I oder ist das Protein mTOR von entscheidender Bedeutung?
Zusammenfassend können Signalwege bestimmt werden, die im Zusammenhang mit den IGF-I-Proteinen Einfluss auf das Muskelwachstum und die muskuläre Adaption haben. Insbesondere wird durch den insulinähnlichen Wachstumsfaktor der Phänotyp des langsamen Muskelfasertyps I und die Stimulation des Muskelwachstums durch die Calcineurin-NFAT (Calcineurin dephosphoryliert NF-AT (nuclear factor of activated T cells) vermittelnden Bahnen gefördert.
Weiter deuten neuere Befunde daraufhin, dass es auch durch eine Modifikation der muskulären Ladung aufgrund von sich überschneidenden Signalwegen zu Effekten in den Bereichen des Muskelwachstums und der muskulären Adaption kommen kann.
Ungeklärt ist noch, ob eine Zunahme des Muskelwachstums, welche von einer involvierten Calcineurin-Signalisierung während einer steigendenden muskulären Ladung abhängt, durch eine direkte muskuläre Antwort auf die automatische Ladung oder durch eine indirekte muskuläre Antwort mittels der Vermittlung von anderen Zelltypen erfolgt.
Umfassende Daten unterstützen weiter die bedeutende Beteiligung von Calcineurin-NFAT bei der Förderung des muskulären Phänotyps (Typ-I Faser) und sie belegen, dass eine muskuläre Stimulation durch ein Innervationsmuster mittels eines langsamen Motoneurons ausreicht, um eine Verschiebung zum langsamen Muskelfasertyp via einer Calcineurin-NFAT-Leitung zu bewirken. Dennoch: Es ist weder endgültig geklärt, ob langsame Aktivierungsmuster ausreichen für die Muskelfaser-Verschiebung noch ist ausreichend erforscht, ob eine automatische Stimulation in Abwesenheit von neuronalen Reizen eine Aktivierung der Calcineurin-NFAT-Signalübertragung produzieren kann.
Somit ist festzuhalten, dass sowohl IGF-I als auch Calcineurin-NFAT für das Muskelwachstum für die muskuläre Adaption und für die Förderung des Phänotyps des langsamen Muskelfasertypen I von entscheidender Bedeutung sind. Allerdings sind längst nicht alle Zusammenhänge geklärt und es bedarf weiterer Untersuchungen, um genauere wissenschaftliche Aussagen zum Verständnis der beteiligten Prozesse und Reaktionen treffen zu können.